Rhythmus – eine unmittelbare Sprache, die verbindet

Lehrerfortbildungen Rhythmus - Trommelorchestervon Ranvita Hahn

Musik, die durch den ganzen Körper geht

Rhythmus ist Musik, die durch den ganzen Körper gehen kann. Musik, die positiv anstecken kann. Wer hat sie noch nicht gehört, die Samba-Gruppen, die an Karneval und anderen Festen mit unwiderstehlichen Rhythmen durch die Straßen ziehen und selbst eingefleischte Nichttänzer in Schwingung versetzen?

Erst einmal ist Rhythmus für mich eine Kraftquelle für Vitalität, Lebensfreude und Loslassen dessen, was mich belastet. Ob beim Trommeln oder auch im Taketina Rhythmuskreis, den ich anleite: Im Rhythmus spüre ich eine natürliche Kraft, die mich mit mir selbst und anderen auf zwanglose Art verbindet. Das kann kraftvoll, zart, rebellisch, still und innerlich pulsierend sein.

Rhythmus ist Leben und lebensdurchdringend

Eine Maschine läuft statisch „getaktet“. Natürliche Rhythmen sind flexibel fluktuierend und schwingen sich immer wieder neu aufeinander ein. Vogel und Fischschwärme streben zielsicher zu fern liegenden Orten, um sich zu einer bestimmten Zeit zu paaren. Überall in der belebten Natur und in uns selbst sorgt das Zusammenspiel und Aufeinander-abgestimmt-Sein unzähliger Rhythmen für Evolution, für Lebensentfaltung und Entwicklung. Zellteilung, Rhythmen der Hormonausschüttung, des Stoffwechsels, der Organaktivitäten, der Atmung und des Herzschlags – alles pulsiert rhythmisch. Rhythmus ist Leben und durchdringt offensichtlich und verborgen alles Lebendige.

Mit Rhythmus sind wir auf diesem Planeten angekommen. Als Fötus im Mutterleib waren wir neun Monate über die Nabelschnur mit dem rhythmischen Herzschlag unserer Mutter verbunden. Ungetrennt, genährt, angeschlossen, geborgen und abhängig … Nach ca. neun Monaten wird die Schnur durchtrennt und die Welt der Polarität beginnt.

Auf der Suche nach dem eigenen Rhythmus

Nun beginnt allmählich die Suche nach dem eigenen Rhythmus im Wechsel der Polaritäten Ich/ Du, Außen/ Innen, Oben/ Unten, Ja/ Nein, Schwere/ Leichtigkeit, Chaos/ Ordnung, Freiheit/ Geborgenheit, Aktion/ Pause …

Wird im Laufe der Lebensrhythmen der Bogen in eine Richtung überzogen, fühlt es sich irgendwann nicht mehr stimmig und wohlig an. Bin ich aus dem Rhythmus geraten? Wenn ich monatelang nur nach einem äußeren Taktgeber „funktioniere“ und mich im „Aktivmodus“ befinde ohne mir Pausen zu gönnen, bemerke ich irgendwann, dass das Leben nicht mehr schmeckt. Lust am Leben, Vitalität und Freude gehen verloren. Ein gesunder Rhythmus braucht Aktion und Geschehenlassen. Kommt eine Seite dauerhaft zu kurz – so wie es in unserer Lebens- und Arbeitskultur häufig der Fall ist, folgen oft Burnout, Depression und andere psycho-somatische Krankheiten.

Rhythmus strukturiert Zeit und Rhythmus löst mein Zeitempfinden auf

Wenn ich beim Trommeln oder im Taketina ganz tief in die Welt eines Rhythmus´ eintauche, verändert sich mein Empfinden von Zeit. Per Definition ist Rhythmus strukturierte Zeit, und gleichzeitig führt mich Rhythmus in erlebte Zeitlosigkeit. Ein Moment kann sich zu einer „kleinen Ewigkeit“ ausdehnen, Stunden schrumpfen zu einem Moment … Die Sinne sind hellwach und der Augenblick bekommt eine Tiefenschärfe.

Rhythmus als Freund in Krisensituationen

Rhythmus hat mir durch viele Krisenphasen geholfen: In jungen Jahren, als ich mich nach einer erhebenden Erfahrung plötzlich bodenlos fühlte, gab mir Rhythmus Erdung und Halt. Rhythmus ist seitdem ein roter Faden in meinem Leben, ein guter Freund und Begleiter, der mir gerade auch in schwierigen Zeiten viel Kraft gibt.

Krisenphasen der Trennung, Verlust und Verletzungen und 2007 auch eine schwere onkologische Erkrankung überstand ich sicherlich leichter, weil ich immer wieder die Möglichkeit nutzen konnte, über Rhythmus und Musik meine innere Sonne anzuknipsen und über den Rand meines erlebten Tales hinaus zu schauen.

Lachende Gesichter

Auf meinen Reisen in rhythmisch geprägte Kulturen – wie z.B. Ghana und Kuba, wo Musik, Tanz und Rhythmus noch eng mit dem alltäglichen Lebensvollzug und der Gemeinschaft verbunden ist, habe ich wesentlich mehr lachende Gesichter gesehen als in unserer Kultur, obwohl die Lebensumstände meist viel schwieriger und ärmlicher sind als bei uns.

Abgesehen von allen kulturellen Prägungen betrachte ich Rhythmus als eine unmittelbare Sprache, die Menschen verbindet und in eine Präsenz bringt – unabhängig von Alter, Herkunft und persönlicher Geschichte. Diese Erfahrung mache ich seit nunmehr 20 Jahren als Rhythmuspädagogin mit unterschiedlichsten Zielgruppen (Kinder aus Brennpunkten, Grundschüler, Jugendliche, Erwachsenenbildung, Schauspielstudenten, Lehrerfortbildungen, Firmenevents etc). Und es ist immer wieder neu und lebendig.



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